Sonia Seymour Mikich: "Es ist nicht zu fassen:
einerseits hieß es in Meldungen gestern, dass die Stromriesen im ersten
Halbjahr wieder mal Rekordgewinne gemacht haben! Andererseits vergeht für uns
Verbraucher kein Jahr ohne dicke Nachzahlung, ohne Erhöhungen. Jetzt aber
häufen sich auch noch Grusel-Prognosen, dass Ökostrom alles noch teurer machen
wird. Doch dieser Alarm, so Markus Schmidt und Michael Houben, der ist einfach
falsch."
Dr. Manuel Frondel
In den letzten zwei Jahren hat sich die Zahl der Solaranlagen verdoppelt.
Eine Erfolgsgeschichte? Jetzt schocken solche Schlagzeilen. "Solarausbau macht
Strom drastisch teurer." "Er treibt den Strompreis an." In den Artikeln immer
wieder zitiert, das Essener Wirtschaftsforschungsinstitut RWI. Dessen
Rechnung: Subventionen von 64 Milliarden Euro müssen die Stromkunden für die
bereits installierten Solardächer zahlen. Das ist der Autor der Studie,
Professor Frondel. Für ihn ist diese Förderung rausgeschmissenes Geld.
Dr. Manuel Frondel, Rheinisch-Westfälisches Institut
für Wirtschaftsforschung (RWI): "Ja, Kernbotschaft unseres Artikels
ist, dass der Ausbau der Photovoltaik und die enorme Förderung von Solarstrom
in Deutschland sehr hohe Kosten verursacht, wenig Strom produziert und keine
Klimaschutzwirkung hat."
Wir sind beim Solarförderverein Deutschland
e.V. in Aachen. Seit
25 Jahren kämpfen seine Mitglieder für mehr Solarenergie. Sie hatten schon
Solaranlagen errichtet, als es noch keine gesetzliche Einspeisevergütung gab.
Den Gegenwind für Solar kennen sie hier.
Alfons Schulte
Alfons Schulte, Solarenergieförderverein Deutschland
e.V.: "Das System hat Methode. Da werden Kampagnen geschaltet in den
Medien, immer kurz bevor politische Entscheidungen anstehen, die mit dem
Ausbau oder dem Bremsen der erneuerbaren Energien zu tun haben. Mit dem
Bremsen natürlich in diesem Fall." E
ine Kampagne im Sinne der Stromkonzerne? Das sind die Fakten. So ein Solardach
wirft im Schnitt 3 bis 5 Prozent Rendite ab. Laut Gesetz müssen die
Stromversorger Hausbesitzern wie Stefan Senster ihren Solarstrom abkaufen und
für jede Kilowattstunde mindestens 33 Cent zahlen. Im Vergleich zu Atom und
Kohle ein erheblicher Aufpreis, der sich zu Milliarden summiert. Und diese
Kosten legen die Stromversorger auf die Kunden um. So viel Geld, für das
bisschen Solarstrom?
Stefan Senster
Stefan Senster, Solarenergieförderverein Deutschland
e.V.: "Ja, was heißt ein bisschen Strom. Es ist ja mittlerweile eine
Riesenkonkurrenz für die Konzerne. Und es wird ja auch immer mehr."
Zum Beispiel genau heute, vor vier Wochen. Ein sonniger Werktag mit mäßigem
Wind und normalem Stromverbrauch. Früher als es noch keinen Ökostrom gab, war
das ein garantiertes Geschäft für die Stromriesen. Grün die Menge Ökostrom,
die an diesem Tag eingespeist wurde. Für die Kraftwerke der Konzerne bleibt
die rot dargestellte Menge. Und der größte Teil des Ökostroms kommt bei
schönem Wetter tagsüber jetzt schon von der Sonne. Solar brachte an diesem Tag
um die Mittagszeit so viel Strom wie acht Kernkraftwerke.
Prof. Claudia Kemfert
Prof. Claudia Kemfert, Deutsches Institut für
Wirtschaftsforschung: "Ökostrom ist so erfolgreich, dass er in der Tat
den vier großen Energiekonzernen wehtut. Denn kleinere und mittelständische
Anbieter sind in erster Linie diejenigen, die Ökostrom produzieren. Es senkt
den Börsenpreis und stärkt damit auch den Wettbewerb. Und insofern haben die
großen vier Energiekonzerne weniger Möglichkeit, ihren Strom preissteigernd zu
verkaufen."
Und hier, an der Leipziger Strombörse, wird der Preis gemacht, der die Gewinne
der Stromversorger bestimmt, der Börsenpreis. Er wird von Stunde zu Stunde neu
festgelegt. Je mehr Strom gebraucht wird, desto teurer wird er. Zusätzliches
Angebot von Ökostrom senkt die Nachfrage nach Kohle- und Atomstrom und damit
den Börsenpreis. Wie groß der Preis senkende Effekt von Ökostrom ist, hat die
Bundesregierung schon vor zwei Jahren berechnen lassen. Ergebnis für das Jahr
2005: zwei bis drei Milliarden, 2006: drei bis fünf Milliarden. So spart
Ökostrom Milliarden. In einer korrekten Rechung müsste man das eigentlich von
den Förderkosten für Ökostrom abziehen. Und was macht das
RWI in seiner Studie? Es ignoriert diesen Effekt. Die Zahlen des RWI
- die Kollegen vom Wuppertal-Institut haben sie nachgerechnet. Danach bleiben
von 64 Milliarden Solarförderung noch knapp 55 als Gesamtsumme für 30 Jahre.
Also 1,82 Milliarden pro Jahr. Übertreibt also das RWI?
Prof.
Claudia Kemfert, Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung: "Es sind
Horrorzahlen, denn es sind Berechnungen, die wirklich vom oberen Rang der
Kosten ausgehen als so genanntes worst case Szenario, als schlimmstes
Szenario, was angenommen werden kann. Ich glaube, man will ein bisschen Angst
machen, dass man aufzeigt, welche Kosten auf die Bürger zukommen, ohne dass
man seriös auch zeigt, dass es einerseits senkende Faktoren gibt und
andererseits auch Nutzen gibt, die für die Volkswirtschaft gut sind."
Ist die Ökoumlage eigentlich wirklich der große Preistreiber beim Strompreis
oder fahren da andere im Windschatten? Das hat dieser Mann einmal genauer
untersucht. Gunnar Harms ist Stromeinkäufer für ein großes
Industrieunternehmen. Er kennt den Markt genau und hat alle Zahlen akribisch
aufgelistet. Daraus geht eindeutig hervor: Die Börsenkurse für Strom sind
gefallen, ein erheblicher Preisvorteil für die Stromverkäufer, aber dieser
Vorteil landete nicht beim Kunden, sondern hier in den Gewinnmargen der
Stromkonzerne. Die haben dicke Gewinnpolster aufgehäuft.
Gunnar Harms
Gunnar Harms, Bund der Energieverbraucher:
"Die Preise dürften auch durch diese höhere Ökoumlage nicht steigen, weil
diese dicken Polster ausreichend dick sind, diese höhere Öko-Umlage zunächst
erst mal aufzufangen."
Eigentlich unnötige Preiserhöhungen - die Konzerne bestreiten das - werden dem
Ökostrom angelastet, um damit die unliebsame Konkurrenz madig zu machen. Die
Basisarbeit dafür hat das RWI gemacht: Hier heißt es zu Solar: Massive Lasten,
extrem verschwenderisch, eklatante Fehlanreize. Soll hier ein Problem
dramatisiert werden - ganz im Sinne der Konzerne? Hat jemand die Studie
bestellt und bezahlt? Wir fragen nach beim Autoren Professor Frondel.
Reporter: "Wer ist der Auftraggeber für die
Studie?"
Dr. Manuel Frondel
Dr. Manuel Frondel, Rheinisch-Westfälisches Institut
für Wirtschaftsforschung (RWI): "Es gibt keinen Auftraggeber dieser
Studie."
Stimmt das wirklich? Die viel zitierte Studie des RWI ist in deutsch und
englisch erschienen. Im Titel der englischen Fassung steht "The german
experience". Wir haken nach!
Reporter: "Es gibt doch eine englische Studie, die
ist doch ins Deutsche übersetzt worden. Gibt es für diese englische Studie
auch keinen Auftraggeber?"
Dr. Manuel Frondel, Rheinisch-Westfälisches Institut
für Wirtschaftsforschung (RWI): "Da gibt es einen Drittelgeber, ein
Washingtoner Institut. Das hat uns die Studie finanziert."
Reporter: "Was ist das für ein Institut?"
Dr. Manuel Frondel, Rheinisch-Westfälisches Institut
für Wirtschaftsforschung (RWI): "Das ist ein unabhängiges
Energie-Forschungs-Institut, Institute für Energy-Research. Hatten wir ja
vorher auch nicht gekannt."
Nicht gekannt? unabhängig? Das IER ist in Washington sattsam bekannt, eine von
Öl- und Kohlekonzernen finanzierte Lobbyorganistion. Sie führt einen Feldzug
in Medien, Kongress und Senat gegen alle Pläne der Regierung von Präsident
Obama, Solar- und Windenergie zu fördern. "Strike three", steht in der
Kampagne. Mit angeblichen unabhängigen Wissenschaftlern aus drei Ländern
Spanien, Dänemark und jetzt Deutschland.
Dr. Manuel Frondel, Rheinisch-Westfälisches Institut
für Wirtschaftsforschung (RWI): "Gut, das war uns nicht in diesem Maße
bekannt. Sollte aber keine Rolle spielen, von wem wir etwas finanziert
bekommen, was wissenschaftlich unangetastet ist und was durch Veröffentlichung
in peer-reviewed, wissenschaftlichen Journals, und dann auch dann anerkannt
wird."
Alles kein Problem? Aber warum verschweigt dann das US Lobby Institut die
Geschäftsverbindung zum RWI? Und warum steht auch in der RWI-Studie davon
nichts drin?
Dr. Manuel Frondel, Rheinisch-Westfälisches Institut
für Wirtschaftsforschung (RWI): "Dann muss es ein Versehen gewesen
sein, aber eigentlich hatten wir das in die Studie hineingeschrieben."
Wir suchen gemeinsam. Wir suchen in der Internetversion, wir suchen in der
gedruckten Version, wir suchen vergeblich. Erst nach unserer Nachfrage hat das
RWI seinen Fehler korrigiert und seinen Geldgeber - so wie es sich gehört -
kenntlich gemacht, sodass nun jeder sehen kann, wer bezahlt hat.